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Das Mysterion der Ehe und seine Hindernisse

 

Das Mysterion der Ehe und seine Hindernisse

 

Das Dokument wurde von der Synaxis der Vorsteher der orthodoxen Ortskirchen vom 21.-28. Januar 2016 in Chambesy – mit Ausnahme der Vertreter der Orthodoxen Kirchen von Antiocheia und Georgien – gebilligt

  1. Die Orthodoxe Ehe

1) Die Institution der Familie wird heute durch solche Erscheinungen wie die Säkularisation und den moralischen Relativismus bedroht. Die Orthodoxe Kirche bekräftigt die geheiligte Natur der Ehe als ihre fundamentale und unbezweifelbare Lehre. Der freie Bund von Mann und Frau ist die unerlässliche Bedingung für die Ehe.

2) In der Orthodoxen Kirche wird die Ehe als die älteste Einrichtung göttlichen Rechtes gesehen, da sie gleichzeitig mit der Schöpfung der ersten Menschen, Adam und Eva (Gen 2, 23), eingerichtet wurde. Von Anfang an wurde dieser Bund nicht allein als eine geistliche Gemeinschaft des Ehepaares, von Mann und Frau verstanden, sondern auch als Fortsetzung des Menschengeschlechtes. Die im Paradies gesegnete Ehe zwischen Mann und Frau wurde zum heiligen Mysterion, das im Neuen Testament erwähnt wird in der Erzählung von Kana in Galiläa, wo Christus sein erstes Wunder wirkte, indem er Wasser in Wein verwandelte und dadurch seine Herrlichkeit zeigte (Joh 2,11). Das Mysterion des untrennbaren Bundes von Mann und Frau ist ein Bild der Einheit von Christus und der Kirche (Eph 5,32).

3) Der christozentrische Charakter der Ehe erklärt, warum ein Bischof oder Priester diesen heiligen Bund mit einem besonderen Gebet segnet. Im Brief an Polykarp von Smyrna unterstreicht der hl. Ignatios der Gottesträger, dass die in die Gemeinschaft der Ehe Eintretenden „in den Bund mit Zustimmung des Bischofs eintreten, damit die Ehe im Herrn sei und nicht nach ihrer eigenen Lust. Möge alles geschehen zum Ruhme Gottes” (Kap. 5). Der geheiligte Charakter des gottgestifteten Bundes und sein hoher geistlicher Gehalt werden durch den Aufruf des Apostels erklärt: „Die Ehe sei in Ehren bei allen und das Ehebett unbefleckt.” (Hebr 13,4). Daher verurteilt die Orthodoxe Kirche jede Befleckung der Ehe (Eph 5,2-5; 1 Thess 4,4; Hebr 13,4ff).

4) Der Bund von Mann und Frau in Christus bildet „eine kleine Kirche, das Bild der Kirche”. Clemens von Alexandrien unterstreicht: „Wer sind die zwei oder drei, die im Namen Christi versammelt sind, in deren Mitte der Herr ist? Verweist er nicht bei den ,drei’ auf Ehemann, Ehefrau und Kind?” (Stromata, 3.10; PG 8, 1169B). Mit Hilfe des göttlichen Segens wird der Bund von Mann und Frau erhöht, denn die Gemeinschaft übersteigt die individuelle Existenz, sie führt die Ehegatten zu einem Leben nach dem Bild des Königtums der allheiligen Dreiheit. Unerlässliche Bedingung für die Ehe ist der Glaube an Jesus Christus, den Braut und Bräutigam, Ehemann und Ehefrau teilen müssen. Basis der Einheit in der Ehe ist die Einheit in Christus, damit sich in der durch den Heiligen Geist gesegneten ehelichen Liebe die Liebe Christi und der Kirche widerspiegelt als das Mysterion des göttlichen Königtums und des ewigen Lebens des Menschen in der Liebe Gottes.

5) Der Schutz der geheiligten Natur der Ehe war immer von herausragender Bedeutung für die Bewahrung der Familie, welcher sich ausdrückt in der Gemeinschaft der mit ehelichen Banden verbundenen Menschen sowohl in der Kirche wie auch in der Gesellschaft. Daher ist die Gemeinschaft, die im Mysterion der Ehe existiert, nicht einfach eine natürliche Beziehung, sondern auch eine in der geheiligten Institution der Familie realisierte schöpferische Kraft. Nur sie kann den Schutz und die Erziehung der Kinder sichern, sowohl in der geistlichen Mission der Kirche wie auch im Leben der Gesellschaft.

6) Die Kirche hat immer mit notwendiger Strenge und gebührender pastoralen Sensibilität, nach dem Beispiel des Völkerapostels Paulus (Röm 7,2-3; 1Kor 7,12-15.39), positive Bedingungen (Unterschied des Geschlechtes, notwendiges Alter usw.) wie auch Hindernisse (Blutsverwandtschaft, geistliche Verwandtschaft, eine schon geschlossene Ehe, Verschiedenheit des Glaubens usw.) aufgestellt für den Abschluss des Mysteriums der Ehe. Pastorale Sensibilität ist nicht allein deshalb unerlässlich, weil die biblische Tradition die Verbindung zwischen Ehe und dem Mysterion der Kirche betont, sondern auch deswegen, weil die kirchliche Praxis nicht die Übernahme gewisser Prinzipien des griechisch-römischen Naturrechtes ausgeschlossen hat, welche das Faktum unterstrichen, dass die Ehebande zwischen Mann und Frau als eine „Verbindung göttlichen und menschlichen Rechtes” (Modestin) gesehen werden und vereinbar waren mit dem sakralen Charakter, der dem Mysterion der Ehe durch die Kirche gegeben wird.

7) In den heutigen Umständen, die so ungünstig für das Mysterion der Ehe und die geheiligte Einrichtung der Familie sind, müssen Bischöfe und Priester aktiv die Pastoralarbeit ausweiten, um die Gläubigen zu schützen, sie zu unterstützen, ihre Hoffnung zu stärken, die ins Wanken gerät durch den Konflikt mit verschiedenen Schwierigkeiten, und die Einrichtung der Familie auf einer festen Basis zu festigen, welche weder Regen noch Wasserströme noch Wind zerstören können, denn ihre Grundlage ist ja der Felsen, der Christus ist (vgl. Mt 7,25).

8) Die Ehe ist die Grundlage der Familie, und die Familie ist die Realisierung der Ehe. In der gegenwärtigen Welt stellt für orthodoxe Christen eine wirkliche Bedrohung der Druck dar, neue Formen des Zusammenlebens anzuerkennen. Die sich verschärfende Krise der Ehe beunruhigt die Orthodoxe Kirche tief angesichts der negativen Folgen für die ganze Gesellschaft und wegen der Bedrohung der innerfamiliären Beziehungen, deren Hauptopfer die Ehepaare und vor allem die Kinder werden, da sie leider gewöhnlich von Kindheit an unschuldige Leiden martyrerhaft zu ertragen haben.

9) Die bürgerliche Ehe zwischen einem Mann und einer Frau, die nach gesetzlicher Ordnung registriert wird, hat keinen sakramentalen Charakter und unterscheidet sich als eine legalisierte Form des Zusammenlebens von der durch Gott und die Kirche gesegneten Ehe. Jenen Mitgliedern der Kirche, die in eine bürgerliche Ehe eintreten, muss man mit pastoraler Verantwortlichkeit begegnen, welche notwendig ist, damit diese Menschen den Wert des Mysterions der Ehe und des mit ihm verbundenen Segens verstehen.

10) Die Kirche hält es für unmöglich für ihre Mitglieder, gleichgeschlechtliche Verbindungen zu schließen wie überhaupt in irgendeine Form des Zusammenlebens außer der Ehe einzutreten. Die Kirche unternimmt alle möglichen pastoralen Anstrengungen, damit jene ihrer Mitglieder, die in solche Verbindungen eintreten, die wahre Buße und die Liebe erreichen, die von der Kirche gesegnet wird.

11) Schwere Folgen der Krise von Ehe und Familie zeigen sich in der steigenden Zahl von Scheidungen, Abtreibungen und in der Mehrung anderer Probleme des Familienlebens. Diese Folgen stellen eine große Herausforderung für die Mission der Kirche in der heutigen Welt dar. Darum sollen die Hirten der Kirche alle möglichen Anstrengungen zur Lösung dieser Probleme unternehmen. Die Orthodoxe Kirche ruft mit Liebe ihre Kinder, Männer wie Frauen, und alle Menschen guten Willens dazu auf, dem heiligen Charakter der Familie die Treue zu wahren.

  1. Über Ehehindernisse

1) Bezüglich der Ehehindernisse wegen Blutsverwandtschaft, verwandtschaftlicher Beziehungen, Adoption und geistlicher Verwandtschaft haben die Vorschriften der Kanones (53 und 54 des Konzils in Trullo) weiterhin Gültigkeit in Übereinstimmung der kirchlichen Praxis in jener Form, in welcher sie heute in den autokephalen orthodoxen Landeskirchen in ihren Satzungen und entsprechenden Entscheidungen ihrer Synoden angewandt, bestimmt und vorgeschrieben werden.

2) Eine Ehe, die nicht endgültig aufgelöst oder annulliert worden ist, wie auch eine dritte Ehe stellen ein absolutes Hindernis zum Abschluss einer Ehe dar, entsprechend der orthodoxen kanonischen Überlieferung, die eine Doppelehe und eine vierte Ehe kategorisch verurteilen.

3) Entsprechend der Akribie der heiligen Kanones wird der Vollzug einer kirchlichen Ehe nach den Mönchsgelübden (16. Kanon des IV. Ökumenischen Konzils und 44. Kanon des Konzils in Trullo) verboten.

4) Das Phestertum stellt ein Hindernis für den Eintritt in die Ehe dar gemäß der praktizierten kanonischen Tradition (3. Kanon des Konzils in Trullo).

5) In Bezug auf gemischte Ehen zwischen orthodoxen und nichtorthodoxen Christen oder Nichtchristen wurde folgende Lösung angenommen:

  1. a) Die Ehe von orthodoxen mit nichtorthodoxen Christen ist gemäß der kanonischen Akribia verboten und wird nicht gekrönt (72. Kanon in Trullo). Sie kann aber gesegnet werden aus Barmherzigkeit und Menschenliebe unter der Bedingung, dass Kinder aus dieser Ehe in der Orthodoxen Kirche getauft und erzogen werden.
  2. b) Eine Ehe zwischen Orthodoxen und Nichtchristen ist gemäß der kanonischen Akribie kategorisch verboten.

6) Die Praxis, welche bei der Anwendung der kirchlichen Überlieferung im Hinblick auf die Ehehindernisse angewandt wird, soll die Bestimmungen der existierenden staatlichen Gesetzgebung berücksichtigen, aber nicht über die Grenzen der kirchlichen Oikonomia hinausgehen.

7) Die heilige Synode jeder autokephalen Orthodoxen Kirche soll die Vorschriften der kirchlichen Oikonomia in Übereinstimmung mit den kirchlichen Kanones, im Geist der pastoralen Urteilsfähigkeit zum Dienst am Heil des Menschen in die Praxis umsetzen.

 

Panorthodoxen Synode

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