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Wunder des Erzengels Michael auf Thasos (Teil 1)

Wunder des Erzengels Michael auf ThasosVORWORT



Übersetzung einer kleinen Broschüre des Athosklosters Philothéou zu den Wundern des Erzengels Michael auf der Insel Thásos

Die deutsche Übersetzung hält sich sehr eng an das griechische Original (Erstauflage 1923, erweitert 1983 und 1993) um den Charakter der Erzählung nicht zu verfälschen. Wenige Erläuterungen sind in Klammern beigefügt.

In 2 Teilen

Teil 1

Vor ungefähr 900 Jahren (das heißt etwa 1090 nach der Geburt Christi) lebte auf der grünen Insel Thásos ein heiliger Mann namens Loukás. Etwa 14 Jahre verbrachte er mit Askese und Gebet im Gebiet Theológos, wo er eine kleine Kirche zu Ehren des heiligen Johannes des Theologen, des Apostels und Evangelisten, baute. Seitdem wird das Dorf nach dem Namen der Kirche “Theológos” genannt.

Als Freund der Einsamkeit und des hesychastischen Lebens begann den heiligen Loukás der Kontakt zur Welt in Theológos zu stören und als er sich noch einsamere Orten suchte, um alleine mit dem “Einzigen Gott” zu sein, stieg er zu den Höhlen “In den Tiefen des Flusses” – so hieß der Ort, wo heute das Kloster des Erzengels Michael ist – und setzte sein hartes asketisches Leben weitere 20 Jahre fort. In dieser Einsamkeit des Ortes und auf steilen Felsen lebte er in vielfältiger Askese, mit Versuchungen und viel Gebet.

Es vergingen 17 Jahre, seit er sich hier angesiedelt hatte, als er eines Tages an der Stelle, an der er betete, den Heerführer der Engel, Michael, mit unsagbarem Glanz vor sich sah, der zu ihm sagte: “Friede dir”. Der Heilige fürchtete sich vor dem sonderbaren Anblick und der Ansicht der strahlenden Gestalt des Erzengels und begann zu rufen: “Allheilige Gottesmutter hilf mir”.

Da sagte der Erzengel, um ihn zu ermutigen und zu überzeugen, dass er kein Gespenst zur Versuchung sei, wie der Heilige glaubte, sondern der Erzengel Gottes Michael: “Gott hat mich zu dir geschickt um dir zu sagen, dass er nach drei Jahren deinen Geist friedlich in die ewige Ruhe der Heiligen nehmen wird”.

Durch diese Worte fürchtete sich der Heilige noch mehr, und weil er weiterhin glaubte, dass es sich um eine teuflische Phantasie handelte, warf er sich vornüber und rief immerzu: “Herr, erbarme dich”.

Und wiederum erschien ihm, um ihm die Furcht zu nehmen, der Erzengel. Er schlug mit einem Stab auf einen Stein, der dort in der Nähe lag, und sagte: “Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, Amin”. Sofort strömte Wasser aus jenem bislang trockenen Stein. Als der Heilige das Wunder sah, fasste er seinen ganzen Mut zusammen und glaubte an die Gegenwart des Erzengels und erbat mit Tränen der Seele um Vergebung seines vorherigen Kleinglaubens, der freilich ganz und gar nicht unbegründet war, denn bis zu diesem Moment versuchte der Teufel oft, ihn mit vielen und vielfältigen Phantasien zu täuschen. Der Erzengel sagte: “Nimm und trink dieses Wasser und von jetzt an hab keine Angst vor den dämonischen Phantasien. Bau hier meine Kirche, in der sich die Menschen seelisch niederlassen können und die Kranken für alle Zeiten geheilt werden”. Mit diesen letzten Worten verschwand der Erzengel und ließ den seligen Gérontas (Mönchsvater) in Freude, Mut und Dankbarkeit zu Gott zurück.

Mit großer Bereitwilligkeit gehorchte er diesem heiligen Befehl und baute mit seiner ganzen Kraft eine kleine Kirche auf den Namen des Heerführers der Engel Michael, die auch die Quelle des Weihwassers mit einbezieht. Diese Kirche wurde zur Zuflucht für alle, die “mühselig und beladen” sind, denn wenn jemand hierhin gekommen war und von jenem geheiligten Wasser trank und sich damit wusch, erfuhr er auch Heilung von jeder körperlichem und seelischen Krankheit.

So verbreitete sich der Ruf der Wunder nicht nur auf der Insel, sondern auch in allen umliegenden und entfernten Gegenden, von wo man die Kranken mit verschiedenartigen Leiden und Qualen brachte, damit sie geheilt würden.

Nach all diesen beschriebenen Ereignissen lebte der heilige Loukás in harten Kämpfen noch weitere 3 Jahre und verschied dann entsprechend der Voraussage des Erzengels “friedlich im Herrn”. Sein Schüler und Untergebener, der Xenophón hieß, bestattete ihn nach den Mönchsregeln, und weil er die Einsamkeit, die Rauheit und die Trostlosigkeit der einsamen Gegend nicht aushalten konnte, ging er fort von dort und wechselte gegenüber auf den Heiligen Berg ins Heilige Kloster Philothéou, in dem er für den Rest seines Lebens blieb. (Bemerkenswert ist, dass sich die Stelle des Pilgerortes zum Erzengels Michael am nordöstlichen Ende der Insel befindet und genau gegenüber dem Heiligen Berg Athos liegt. Wenn die Atmosphäre klar ist, kann man die verschiedenen an der Küste liegenden athonitischen Klöster genau unterscheiden.)

Die Jahre, in denen dem heiligen Loukás dieses Wunder auf Thásos geschah, fielen in die Zeit der Herrschaft des byzantischen Kaisers Nikifóros Votaniátis (1078-1081), der ein Freund der Mönche war und die Klöster des Heiligen Berges Athos sehr unterstützte. Damals erneuerte er auch das Heilige Kloster Philothéou, das stark vom Verfall bedroht war. Er stiftete dem Kloster viele Schätze des Kaiserreichs, darunter auch ein Stück des kostbaren Nagels (Timío Ílo), also des Eisennagels, der in der rechten Hand Christi steckte, als er für unsere Sünden auf dem schaudererregenden Golgotha gekreuzigt worden war.

Jahre vergingen seit damals und es kam jener schreckliche Tag im Jahre 1453, die Eroberung Konstantinopels durch die Türken und das Ende der ganzen byzantinischen Herrschaft. Auch Thásos musste die schwere Sklaverei der barbarischen Herrscher desselben Sultan Mehmet annehmen.

Trotz des Drucks der Eroberer kamen die Gläubigen weiterhin mit großer Frömmigkeit zur Kirche des Erzengels und zum Weihwasser, um täglich die Heilungen und Wunder unseres Allmächtigen Gottes zu empfangen.

Als die barbarischen und wilden Bewohner von Ágaris die Herrlichkeit des Pilgerortes sahen, wurden sie neidisch und wollten dieser Frömmigkeit der Gläubigen und den Wundern des Erzengels ein Ende setzen. Deshalb kamen drei von ihnen mit einem Schiff vom Meer und stiegen zur Kirche hinauf. Der Kühnste von ihnen wagte es, in die Kirche hineinzugehen und die Quelle des Weihwassers, die dort seit so vielen Jahren floss, zu besudeln. In diesem Augenblick aber wurde jener vom Blitz des Erzengels erschlagen und der tote Körper fiel auf die Fliesen der Kirche, gerecht bestraft für seine schamlose Tat. Im selben Moment versiegte die Quelle des Weihwassers und verschwand aus der Kirche, als würde sie in einer Versenkung verschwinden, denn von da an sprudelte sie unten aus den Felsen in einer Höhle nahe beim Meer heraus. Die anderen zwei Türken wurden von Furcht ergriffen, rannten um ihr Leben herunter zum Meer, sprangen auf ihr Schiff um zu entfliehen, waren aber nicht schnell genug, sondern das tobende Meer zerschellte sie an den steilen Felsen des Ufers, als sei es ein Werkzeug der göttlichen Strafe zur Vergeltung ihrer schrecklichen Tat. Die Schiffstrümmer und die Leichen schwammen im Wasser als ein Zeichen der Strafe für ihre Dreistigkeit und Schlechtigkeit.

Am nächsten Tag kam ein Priester namens Dimítrios, um mit einigen Kranken für ihre Gesundheit zu zelebrieren. Als er in die Kirche hineinging, sah er die Leiche des Agariners und dass die Quelle des Weihwassers ausgetrocknet war. Alle empfanden große Furcht und Trauer, als sie dem unerklärlichen Anblick begegneten und ganz besonders wegen der Austrockung der Weihwasserquelle. WeiI es bereits Abend war, zogen sie sich voll großer Aufregung und Kummer an einen abgelegenen Ort in der Nähe zurück, wo sie auf die Morgendämmerung warteten, um den Ort zu verlassen.

In jener Nacht erschien dem Priester der Heerführer der Engel Michael und sagte ihm: “Geh in meine Kirche, nimm jenen unreinen Körper heraus und wirf ihn weit weg. Dann nimm die Kranken, steigt zum Ufer hinab, ans Meer, und in einer Höhle werdet ihr Licht sehen, geht hinein und die Kranken sollen sich dort waschen, damit sie gesund werden”. Und so geschah es. Nachdem der fromme Priester die Agrypnía bis zum Órthros (Nachtwache bis zum Morgengottesdienst) gemacht hatte, holte er entsprechend dem Befehl des Erzengels den unreinen Körper aus jener Kirche heraus, und danach stiegen alle zum Meer hinunter. Als sie dort suchten, sahen sie in einer kleinen Höhle ein strahlendes Licht und voller Furcht fingen sie an zu rufen: “Herr, erbarme dich” und “Erzengel hilf”. AIs sie sich der Höhle näherten, war kein Licht mehr da, aber sie empfanden einen starken Wohlgeruch. Weil der Ort der Höhle sehr eng war und sie kniend hineingingen, erhielt dieser Ort den Namen “Kniende”, denn wer zum Weihwasser geht, muss kniend hineingehen. Als die Kranken nun hineingingen und sich entsprechend den Worten des Erzengels wuschen, wurden sie geheilt.

Seit damals werden alle, die mit Frömmigkeit und Glauben in die Höhle des Weihwassers hineingehen, geheilt.

Der Priester Dimítrios, der an jenem Tag in der Kirche blieb, reinigte sie, machte einen Agiasmós (Weihwassergottesdienst) und zelebrierte am nächsten Morgen eine Göttliche Liturgie.

Nach der Göttlichen Liturgie gingen alle zum Meer hinunter, weil sie etwas zum fischen suchten. Dort sahen sie die Trümmer des Schiffes und die zwei Leichen der Gottlosen von den Wellen an dem Strand gespült. Voller Furcht flüchteten sie und, ergriffen von den Wundern, die sie gesehen und erlebt hatten, erzählten sie diese überall zur Ehre Gottes. 

Aus dem Griechischen von p. Martinos

Wunder des Erzengels Michael auf Thasos