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Eines jeden Menschen Engel

Eines jeden Menschen Engel

 

Da hat er aber einen guten Schutzengel gehabt”, hört man manchmal jemanden sagen. Immer wieder gibt es brenzlige Situationen, die vielleicht sogar selbstverschuldet sind, aber glimpflich ausgehen und wo man das Gefüht hat, nicht durch eigene Kraft herausgekommen zu sein. Schon im Alten Testament lässt sich die Aufassung belegen, dass Engel die Menschen in Gefahren schützen und vor Notlagen bewahren. Aber das alttestamentliche Verständnis war noch sehr allgemein. Die Engel, die vor Gottes Angesicht als seine Thronassistenten dienen, wurden von Gott auch immer wieder zu den Menschen geschickt, um ihnen in bestimmten Situationen beizustehen. Besonders eindrucksvoll ist die Reisebegleitung des Tobias durch den Engel Raphael. Ein ständiges persönliches Verhältnis zwischen den Menschen und Engel lässt sich im Alten Testament jedoch nicht feststellen.

Das Neue Testament geht erheblich weiter und konkretisiert die Beziehung der Menschen zu den Engeln. Besondere Bedeutung kommt einem Vers im Matthäusevangelium zu. Darin sagt der Herr: “Seht zu, dass ihr keines dieser Kleinen verachtet. Denn ich sage euch, ihr Engel im Himmel schauen allezeit das Angesicht meines Vaters im Himmel” (Mt 18,10). Hier ist nicht mehr davon die Rede, dass Engel Gottes ab und zu auf besondere Veranlassung und in Gottes Auftrag zu den Menschen kommen und ihnen beistehen, bis die Gefahr vorbei ist. Vielmehr kann dieses Wort des Herrn so verstanden werden, dass jedem Menschen ein eigener Engel persönlich zugeordnet ist, der ihm ständig beisteht und zugleich gewissermaßen wie ein Verbindungsmann vor Gottes Angesicht steht. Bei Matthäus ist zwar nur von den Kindern die Rede, aber es ist wohl kaum anzunehmen, dass die ‘Dienstzeit’ der Engel mit dem Erwachsenwerden eines Menschen endet.

Der heilige Johannes Chrysostomos hat in seiner Auslegung des Matthäusevangeliums die “Kleinen” deshalb auch so verstanden, dass es nicht diejenigen sind, “die dem Leibe nach klein sind, sondem jene, die in den Augen der Welt für klein gelten: die Armen, die Verachteten, die Unerkannten” (Matthäuskommentar, 59. Homilie). Dass damit letztlich die Menschen gemeint sind, jedenfalls alle, die nicht allein auf ihre eigene Kraft vertrauen und die sich für vollständig unabhängig, auch von Gott, halten, ist naheliegend. Johannes Chrysostomos meint jedoch zu Recht, dass diese von der “Welt” für klein Gehaltenen im Grunde gar nicht klein sind: “Oder wie sollte derjenige klein sein, der soviel  Wert hat als die ganze Welt? wie sollte klein sein, wer ein Freund Gottes ist?” Deshalb folgert der große Prediger, dass die Kleinen alle diejenigen sind, die ihre Kraft von Christus her haben und von ihm geheiligt sind. Damit sind freilich alle Getauften gemeint, zumindest wenn sie sich noch in der Taufgnade befinden. Der Kathedralprediger von Antiochia fährt deshalb in seiner Predigt fort: “Daraus geht klar hervor, dass den Heiligen, ja allen Menschen, Engel zur Seite stehen”. Hier lässt sich die neutestamentlich begründete Lehre von den Schutzengeln feststellen, die zwar nicht zum dogmatischen Grundbestand der Kirche gehört, jedoch theologisch gut begründet erscheint.

Auch bei Paulus findet sich die Vorstellung von Engeln, “den dienenden Geistern, zum Dienste ausgesandt um derer willen, die das Heil ererben sollen” (Hebr 1,14). Im Hebräerbrief ist zwar nicht von einem persönlichen Verhältnis des Menschen zu seinem Schutzengel die Rede, doch wird der wichtige Aspekt betont, dass es bei dem Dienst und der Hilfe der Engel um das Heil geht. Engel werden nicht nur für diejenigen ausgesandt, die das Heil erben sollen, sondern auch damit sie dieses erben.

Die Apostelgeschichte hat ein konkretes Beispiel dafür, dass die ersten Christen die ganz selbstverständliche Vorstellung eines Schutzengels hatten. Als nämlich der inhaftiert geglaubte Petrus plötzlich an der Tür der Gemeinde klopfte, meinten einige, es sei nicht Petrus, sondern “sein Engel” (Apg 12, 1S).

Es gibt allerdings auch schon frühzeitig eindringliche Warnungen, einen Engelkult zu betreiben. Paulus warnt im Kolosserbrief davor, “sich in Demut und Engeldienst zu gefallen” (Kol 2, 18). Er meint in erster Linie denjenigen, “der sich mit Visionen wichtig macht, während er doch nur ohne Grund aufgeblasen ist”. Damit ist natürlich jede Form der Anbetung der Engel gemeint. Anbetung gebührt nur Gott allein. Die Engel aber sind Geschöpfe Gottes wie die Menschen, wenn auch unkörperliche. Sie dürfen nur verehrt werden, genauso wie die Heiligen.

In der Antike, in der sich das junge Christentum behaupten musste, gab es viele philosophische Strömungen, die Weltmodelle entwickelten, in denen die Engel eine besondere Zwischenstellung zwischen Gott und den Menschen innehatten. Sie waren die teilweise guten, teilweise schlechten himmlischen Mächte, die die schlechte materielle Welt beherrschten und die Menschen in ihren Kampf einbezogen. Gegen diese Vorstellungen wendet sich Paulus ausdrücklich. Seine Warnungen sind erstaunlich aktuell angesichts zeitgenössischer Sekten, die die Engel nicht mehr als Geschöpfe Gottes ansehen, die um des Seelenheiles der Menschen willen im Auftrag Gottes dienstbar sind, sondern die in ihnen kriegführende Parteien im Kosmos erblicken, zwischen deren Fronten die Menschen geraten können.

Das Deutsche Volk hat sich ganz besonders unter den Schutz eines Engels gestellt. Das Heilige Römische Reich Deutscher Nation nahm sich den Erzengel Michael als Schutzherrn. Ein Kampfgesang aus dem 9. Jahrhundert ruft den Erzengel Michael als Beschützer an. Schon die Führer der Langobarden und Normannen trugen sein Bild auf ihren Bannern. Es gab sogar für das Volk Israel die Tradition, Michael als Schutzengel des Volkes anzusehen. Es ist nicht ausgeschlossen, dass dies von den germanischen Völkern aufgegriffen wurde.

Dass dies nicht illegitim ist, zeigen die vielen in der Schrift bezeugten Erscheinungen von Engeln in Menschengestalt. Das bedeutet freilich nicht, dass Engel im Grunde doch Menschengestalt hätten, sondern stellt nur vor Augen, dass diese unkörperlichen Geschöpfe Gottes den Menschen dem Wesen nach am ähnlichsten sind. Vor allem sind sie den Menschen als Diener ihres Heiles zugeordnet, weshalb sie, wenn sie sichtbar erscheinen sollen, am angemessensten in Menschengestalt erscheinen.

 

Von p. Martinos

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