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Wurzeln (Teil 2)

Wurzeln

 

Dritte Generation

Wollten die ersten Griechen nur eine kurze Zeit in Deutschland arbeiten und leben deren Kinder fest etabliert in Deutschland, auch wenn sie sich immer noch in Griechenland verwurzelt sehen, vor allem wenn sie ihre einen griechischen Kindergarten und griechische Schulen besucht haben oder bei Verwandten in Griechenland aufwuchsen, so stellt sich die Verwurzelung für die jüngste Generation noch einmal anders da. Ein erheblicher Teil entstammt Mischehen, die heute mehr als 40%, vermutlich schon weit über 50% ausmachen, vor allem an Orten, an denen es nur kleine griechische Gemeinden gibt. Hier die griechische Sprache zu pflegen ist nicht einfach, zumal in den seltesten Fällen der deutsche Partner die griechische Sprache lernt, da die Ehepartner sich ja in Deutschland und auf deutsch kennen- und liebengelernt haben. Anders ist dies übrigens bei Ehepartnern aus östlichen Ländern, die oft eine große Bereitschaft  zeigen, griechisch zu lernen und zu sprechen. Auch die Schul- und Literarsprache ist für die meisten griechischen Kinder heute deutsch, und es ist sehr bedauerlich, dass der muttersprachliche Unterricht immer mehr abgeschafft wird und auch die griechischen Schulen vor Schließungen stehen. Immerhin gibt es allerdings anders als in früheren Jahren allerorten griechisches Fernsehen, und im Internet ermöglichen griechische Foren eine gewisse Sprachpraxis – wenn auch oft im verformten “Greeklish”-, die es so früher nicht gab. Freilich ist es heute auch keinem Kind zu verdenken, dass es sich keine Perspektive in Griechenland mehr vorstellen kann, aber daran sind sicherlich nicht die Kinder schuld, sondern eher diejenigen, die heute am lautesten klagen und schimpfen. Wie übrigens bei allen Klagen über die Jugend, deren Sprachkompetenz, Frömmigkeit und historische Kenntnis: für die Lücken ist ebendiese Jugend sicherlich überhaupt nicht verantwortlich und schuldig.

Im Vergleich zu anderen Ausländerkindern ist aber die Bindung an Griechenland immer noch besonders hoch. Während arabische, türkische oder russendeutsche Familien in den seltesten Fällen in ihre Heimat zurückwollen und sich in Deutschland eingerichtet haben, haben Griechen weiterhin enge Bindungen an die Heimat, erben und besitzen Häuser, haben verzweigte Verwandtschaften und fahren regelmäßig dorthin. Das griechische Nationalgefühl und der Stolz auf Griechenland und auch das Gefühl von Heimat und damit eine Liebe zu dieser Heimat haben auch Griechenkinder, die vielleicht gar nicht mehr so gut die Sprache beherrschen. Es ist rührend, wenn man Jugendzimmer betritt mit einer riesigen griechischen Fahne über dem Bett, Photos aus Griechenland am Schreibtisch und Postern von griechischen Fußballvereinen an der Tür, obwohl die Konversationssprache der Geschwister unter sich deutsch ist.

Ganz gleich, ob die griechischen Schulen fortgesetzt werden, ob die griechischen Vereine noch funktionieren oder ob die Familien regelmäßig nach Griechenland fahren können oder wollen, ein Mittelpunkt griechischen Lebens bleibt dank der Mühe und ständigen Sorge der Metropolie von Deutschland erhalten, nämlich die vielen griechischen Pfarreien und Kirchen, die in ganz Deutschland verteilt sind. Noch mehr als bisher sollte auf sie das Augenmerk geworfen werden als dem Sammel- und Kristallisationspunkt griechischen Lebens in Deutschland. Nachdem in den letzten Jahrzehnten viele Kirchen gebaut, gekauft und eingerichtet wurden, wächst nun der Bedarf an Pfarrzentren, pnevmatika kentra, in denen das alltägliche Leben und die Feste der Pfarreien stattfinden. Wie anders sollen die griechischen Wurzeln auch der jungen Generation erhalten bleiben und wo anders können die älteren Generationen ihr kleines heimatliches  Griechenland in der Ferne pflegen. Die Jugend fragt heute aber, ob es sich “lohnt”, denn die Angebote an Freizeitgestaltung sind reichhaltig, vom Internet über den Fernseher, die Sportvereine bis zur Musik. Die griechischen Gemeinden sind keineswegs mehr selbstverständliche Adressen für die heutige Jugend, sie muss konkurrieren und attraktiv sein. Das sind grosse Herausforderungen für Lehrer, Katecheten, Priester und alle, denen die Jugend und ihre Wurzeln am Herzen liegen.

 

Überlegungen von p. Martinos Petzolt

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